Vor fast einem Jahr verschwanden auf dem Weg von Bottrop an die Ukrainische Grenze LKWs bei einer Spendenaktion für die Ukraine. Wir deckten den Skandal als Unterstützer der Aktion auf, sprachen mit Polizei, Stadt und Medien – und übernahmen die restlichen Spenden, die im Lager an der Poststraße waren.
Für alle, die nicht mehr wissen, um was es genau geht, hier der erste Teil.
Nachdem wir, das Team von Wir lieben Bottrop, dein.bottrop & bottsapp.de, das Lager nun von den ehemaligen Schirmherren der Aktion übernommen hatten, waren wir zunächst etwas damit überfordert – schließlich hatten wir nie geplant, selbst so eine große Spendenaktion durchzuführen. Wir sind von Unterstützern irgendwie zu Organisatoren geworden – dabei hatten wir weder von Logistik noch vom anständigen Paletten-Packen einen Plan. Wir fanden uns im eiskalten Wasser wieder.
Dank der zahlreichen Helferinnen und Helfern, die bereits von Anfang an mit voller Kraft dabei waren, können wir an dieser Stelle aber bereits spoilern: Wir haben’s geschafft.
Zunächst nahmen wir weiterhin Spenden an, damit wir noch mehr Hilfsgüter in die Krisenregion schicken können. Das gelang uns – auch dank starker Partner wie DM auf der Hochstraße und am Südring, die uns – wie auch zahlreiche andere Unternehmen – bei der Aktion unterstützten.
Zeitgleich boten wir in Bottrop angekommenen ukrainischen Flüchtlingen die Möglichkeit, sich im Lager mit passender Kleidung auszustatten. Diese haben wir zunächst bewusst nicht in die Ukraine geschickt, da sie dort zu dem Zeitpunkt leider nur noch verbrannt worden war. Das konnte man damals zahlreichen Medienberichten entnehmen. Damit die Kleidung trotzdem dem Spendenzweck dient, halfen wir eben den ukrainischen Flüchtlingen, die in unserer Stadt eine neue Heimat gefunden haben. Tausende weitere mussten ihnen in den kommenden Wochen noch folgen.
Nachdem wir auch die Stadt über den Ablauf der Aktion samt den undurchsichtigen LKW-Transporten informierten, wurden wir vom Sozialamt zu einem Treffen aller Initiativen, die sich rund um die ukrainische Krisensituation engagierten, eingeladen. Dort tauschte man sich aus, optimierte die Zusammenarbeit und lernte auch andere Initiativen und Vereine kennen. So bauten wir Kontakt zu einem Bottroper Unternehmen auf, das bereits zuvor in eigener Sache Sachspenden in die Ukraine schickte. Auch uns wollten sie in dieser Situation unterstützen.
Am Donnerstag, dem 21. April 2022, sollte also ein 40-Tonner beladen werden. Was sich erstmal einfach anhört, stellte sich für uns jedoch als Mammutaufgabe dar. Einen Abend vorher wurden zunächst alle übrigen Sachspenden von uns ein weiteres Mal sortiert, ordentlich verpackt, gewogen und auf Paletten gestapelt. Insgesamt verpackten wir als fleißiges Team auf 33 Paletten 7.764,6 Kilogramm Sachspenden, verpackt in 351 Kartons. Mehr als 1.000 Flaschen Wasser, Helme, Feldbetten, Krücken und zahlreiche Säcke Tierfutter landeten zusätzlich auf den zur Verfügung gestellten Paletten. Ein wahrer Kraftakt.
Der 40-Tonner kam am Morgen danach pünktlich an, leider jedoch nur bis zur letzten Ecke kurz vor der Laderampe. Wir mussten also kurzerhand einen 3,5-Tonner, der als Brücke fungieren sollte, organisieren. Dank der hydraulischen Ladebordwand und unserem Helfer Christian Kosilinski konnten wir mithilfe einer Ameise die Paletten aus dem Lager in den 3,5-Tonner ziehen und diesen dann rückwärts an den 40-Tonner manövrieren, um die Paletten dann dort hinein zu schieben. Das ganze mit 33 vollgepackten Paletten. Wir wussten nicht, wie wir das packen sollten.
Doch wir hatten einen Retter in der Not, der – ausnahmsweise mal ohne Blaulicht – anrückte: Die Feuerwehr Bottrop. Mit einem speziellen Gabelstapler konnten die Paletten so zunächst aus dem Lagerräumen heraus- und dann in den LKW hineingeladen werden. Der beladene LKW konnte sich dann schließlich um 11:25 Uhr auf den Weg nach Polen machen. Der Zielort war zunächst ein angemietetes Lager in der polnischen Stadt Hrubieszów. Ein entsprechender CMR-Frachtbrief, der bei Transporten über inneneuropäische Grenzen hinweg verpflichtend ist und den es bei den vorherigen unklaren LKW-Fahrten nicht gegeben hatte, wurde selbstverständlich ausgestellt. Das Original-Dokument kann auf Anfrage jederzeit gerne bei uns angeschaut werden.
Im Lager wurden unsere Paletten, die wir zur Sicherheit zusätzlich mit „Wir lieben Bottrop“- & „dein.bottrop“-Stickern markiert haben, dann abgepackt und in PKWs über die Grenze in Krisenregionen gebracht worden. Einige Säcke des Tierfutters wurde zum Beispiel in ein Animal Shelter gebracht, wo zurückgelassene Tiere versorgt werden.
Die Sachspenden waren nun alle genau an der richtigen Stelle, es blieben jedoch noch zahlreiche Kleidungsstücke, welche in diesem Moment in der Ukraine immer noch nicht gebraucht wurden. Also suchten wir uns Hilfe. Wir sprachen mit dem Sozialamt, mit zahlreichen gemeinnützigen Vereinen und Organisationen – und alle hatten die Lager randvoll. Große Hilfe hatten wir in der Situation von der Bottroper Spedition Rottbeck erhalten. Sie stellten uns einen 12.5-Tonner, in dem wir die gespendete Kleidung zunächst auf dem Gelände der Spedition lagern konnten, weil das Lager an der Poststraße geräumt werden sollte.
Aber was sollten wir nun damit machen? Die Stadt hatte keine Kapazitäten und brauchte die Kleidung nicht, in der Ukraine war sie damals auch unerwünscht. Dann kam uns eine Idee: Wir wollten einen Leerstand in der Stadt als Standort für einen “Umsonst-Laden” nutzen. Dort sollten Geflüchtete wie in einem Modegeschäft shoppen können – nur eben ohne für die Kleiderspenden bezahlen zu müssen. Mit der Hilfe der Wirtschaftsförderung und des Sozialamts der Stadt Bottrop wurde auch ein Ladenlokal in der Altmarktpassage gefunden. Genau das, wo vorher andere “Spendensammler” für wenige Wochen “Spenden gesammelt” haben.
Gemeinsam mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband sollten wir in den Räumlichkeiten unsere Kleiderspenden verteilen. Betrieben werden sollte das Geschäft dann für wenige Stunden am Tag von ukrainischen Flüchtlingen selbst. In unseren Köpfen eine Win-Win-Win-Situation: Eure Kleiderspenden kommen genau bei den richtigen Leuten an, diese lernen sich untereinander auch noch dort kennen und wir haben einen Leerstand in unserer Stadt weniger. Jackpot. Es kam jedoch anders.
Wir hatten dank der Unterstützung des Hausmeisters der Altmarkt-Passage wunderbare Regale, auf denen die Kleidung präsentiert werden sollte. Die Kleidung dorthin zu bekommen, stellte sich allerdings als schwierig heraus. Aufgrund der derzeitigen Situation hatte die Spedition, die uns bereits bei der Lagerung kostenfrei unterstützte, leider keine Kapazitäten, wir selbst hatten kein entsprechendes Fahrzeug für den Transport und auch die Stadt konnte nichts machen.
So strich ordentlich Zeit ins Land. Einige Monate später, Anfang Oktober, meldete sich dann die Stadt, die doch bei der Verteilung der Kleiderspenden helfen wollten. Wir teilten dem Leiter des Sozialamts also mit, dass sie die Kleidung übernehmen könnten, sofern wir über die Verteilung im Stadtgebiet informiert werden. Wir bemühten uns weiterhin um Transparenz – wie bereits von Anfang an. Zudem übermittelten wir die Kontaktdaten von André Brune, Initiator der Gruppe ‘Ukrainehilfe Ruhrgebiet‘ und Unterstützer bei der Gesellschaft Bochum Donezk e.V. und Safety Home Ukraine.
André begleitete für uns und für euch, den Prozess der Kleiderspenden-Übergabe und half mit seinem Netzwerk. Er organisierte schließlich gemeinsam mit der Initiative Safety Home – Hilfe des Nordens e.V. einen Transport der Kleiderspenden in ein Waisenhaus in der ukrainischen Stadt Odessa – von dort aus wird und wurde diese nun verteilt. Auf Nachfrage der Redaktion bestätigte das auch die Stadt.
Foto: Safety Home – Hilfe des Nordens e.V.
Damit konnten wir alle übrigen Spenden, die – durch einen Großteil von euch – gespendet wurden, genau den Menschen zukommen lassen, die diese wirklich benötigen. Eure Spende konnte Menschen helfen, die seit fast einem Jahr einen Alptraum leben müssen. Menschen, die ihr Zuhause, ihre Heimat und ihr Familie verloren haben. Menschen, die zum Teil nichts mehr haben. Danke dafür. Danke für eure Spenden, danke für euer Engagement.
Übrigens: Über den Ermittlungsstand gegen Stefan K. und Marcel M., die uns bis heute weder ein vernünftiges Kassenbuch liefern, noch Nachweise über die verschwundenen LKW-Lieferungen erbringen konnten, haben wir keine aktuelle Informationen. Auch zum übrigen Geld, das laut Aussage von Stefan K. in einem eigens veröffentlichten Video für eine weitere Fahrt nach Chelm genutzt und dann an einen Gelsenkirchener Verein gespendet werden sollte, liegen der Redaktion keine weiteren Informationen vor.