Bottrop, wir müssen reden. Über einen angeblichen Verein, den wir hier nicht namentlich nennen werden. Wir reden über versprochene Spendenquittungen, ein eigenartiges Konto und undurchsichtige Abrechnungen.
Ende Februar erhielten wir als BottsApp UG wegen unserer Netzwerke von Dein.Bottrop und Wir lieben Bottrop die Anfrage von Marcel M., ob wir gemeinsam bei einer Spendenaktion von ihm und Stefan K., beides Mitglieder eines angeblichen Bottroper Vereines, unterstützen würden. Der erschütternde Kriegsbeginn in der Ukraine war damals erst fünf Tage her, wir wollten in der schockierenden Situation – wie auch viele von euch – also unkompliziert helfen, wo wir können. Unsere Unterstützung war dem Verein, der im Vorfeld auch öffentlich bei der Flutkatastrophe geholfen hat, nach einem persönlichen Gespräch sicher. Unsere Voraussetzung: Völlige Transparenz. Damit wir euch als Community bei der gesamten Aktion mitnehmen und euch zeigen können, wo eure Spenden ankommen.
Wir kümmerten uns also um Plakate, stellten für diese Aktion unsere Reichweite uneingeschränkt zur Verfügung und besorgten eine Lagerfläche. Die Mitglieder dieses ominösen Vereins, insbesondere Marcel M., organisierten dann die Lagerlogistik und die Spendenannahme von Sachspenden vor Ort. Auch Geldspenden für den Transport (Spritkosten, Fahrzeugmiete etc.) wurden eingesammelt, dafür könne der Verein bei Bedarf auch Spendenquittungen ausstellen. Das wurde uns von Stefan K. mehrfach zugesichert. Viele Menschen und Firmen aus unserer Stadt unterstützten dabei.
Am 02. März wurde das Lager erstmalig geöffnet, am 04. März waren die Hallen bereits mit Sachspenden gefüllt. Kein Problem für die vermeintlichen Spenden-Profis: Schnell wurde ein 40-Tonner organisiert, der aus dem deutschen Flutgebiet kommen und Kleidung an die polnisch-ukrainische Grenze nach Hrebenne bringen sollte. Auch der geplante Konvoi, der wenige Tage später aus Bottrop auch mit Mitgliedern von uns nach Polen fahren sollte, sollte anfangs nach Hrebenne fahren. Das wurde so von dem Kontakt an der Grenze, den der Vorsitzenden des Vereins, Stefan K., hatte, empfohlen. Gesagt, getan. Der 40-Tonner wurde beladen und mit der Bitte, Fotos vom Ankunftsort zu senden, verabschiedet.
Am 06. März hätten die ersten Sachspenden vor Ort ankommen sollen. Die versprochenen Fotos, damit wir euch als Community transparent mitnehmen können, kamen zunächst nicht. An einem Tag hatte Stefan K. sie gerade nicht gefunden, an einem andere Tag hatte er sein Handy leider nicht dabei. Ärgerlich, aber kein Weltuntergang, dachten wir. Wir hatten keinen Grund für Zweifel, schließlich wurde die Truppe auch im Vorfeld von allen lokalen Medien in den Spendenolymp gehoben. Wir waren uns sicher, wir kriegen die Bilder noch.
Am 10. März war das Lager dann so voll, das ein weiterer Konvoi von Stefan K. organisiert wurde, um die zahlreichen Helferinnen und Helfer im Lager nicht zu überlasten. Gesagt, getan. Ein 40-Tonner von einer ukrainischen Spedition, den wir über unser Netzwerk kostenfrei hätten organisieren können, wurde abgelehnt. Insgesamt wurden ein 40-Tonner, ein 7.5-Tonner sowie ein Sprinter samt Anhänger mit Kleidung voll beladen. Fragen von Helfern, wieso entgegen der damaligen öffentlichen Berichterstattung nur Kleidungen geladen und an die Grenze gebracht werde, wurden nicht beantwortet. Das wurde uns, die wir leider nicht täglich im Lager sein konnten, im Nachhinein bekannt.
Ein Tag später war es dann soweit: Der Konvoi bestehend aus 8 Fahrzeugen machte sich auf den Weg nach Chelm, ein neuer Ort in Polen, wo in der Zwischenzeit ein Lager für Spenden eingerichtet wurde. Mit an Bord waren 16 Menschen aus Bottrop und der Umgebung, die sich zu einer Vielzahl im Vorfeld nicht kannten und unabhängig von einander die Sache unterstützen wollten. Alle an einem Strang. Gesagt, getan.
Nach einer langwierigen Autofahrt kam der Bottroper Konvoi in Chelm an. Vor Ort war schnell klar, was dort geleistet wird und wofür man die Strapazen auf sich genommen hatte. Ein Großteil der Fahrerinnen und Fahrer war schwer beeindruckt. Koordiniert wurden die Sachspenden angenommen, sortiert und zum Großeil direkt an ukrainische Speditionen übergeben, die stetig zwischen Chelm und dem Kriegsgebiet pendelten. Ein Großteil eurer Spenden wurde zum Beispiel in die Oblast Chmelnyzkyj gebracht und von dort noch innerhalb der Ukraine weiterverteilt. Mission completed.
Die Stimmung im Konvoi war trotz langer Fahrt blendend. Es ging weiter zum Bahnhof in Chelm, wo täglich flüchtende Ukrainer:innen ankamen. Aus dem Land fliehen durften zu der Zeit nur Frauen, Kinder und Senioren. Die Männer mussten das eigene Land an der Front verteidigen.Nach der Grenzüberquerung war Chelm für viele Flüchtende ein Ziel zum Durchatmen, der erste Schritt in ein neues Leben. Bei dem nächsten Schritten wollten die Bottroper Fahrerinnen und Fahrer dann helfen. Jeder freie Platz wurde genutzt, mehr als ein Dutzend Menschen konnte das Team mit nach Deutschland, in eine sichere Umgebung, nehmen.
Zeitgleich ließen wir bei Stefan K. nicht locker und forderten ihn weiterhin auf, Fotos von den Kleidungs-Konvoi zu schicken. Spoiler: Dem kam er bis zum heutigen Tag nicht nach. Auch weitere Unstimmigkeiten entstanden. So wollten einige Fahrerinnen und Fahrer mit ihren ukrainischen Gästen als erstes das Lager in Bottrop anfahren, damit die Menschen mit einer Grundausstattung und etwas Kleidung in Deutschland starten können. Dazu, so war der gemeinsame Plan aller Fahrerinnen und Fahrer, sollte eine Helferin vorab in die Spendenhalle und Pakete vorbereiten. Stefan K. und Marcel M. entschieden allerdings, dass der Schlüssel nicht an diese Helferin, die fast täglich zum Sortieren im Lager war, abgegeben werden kann. Lediglich eine Freundin von Marcel M. durfte jederzeit ins Lager.
Nach einem gemeinsamen Gespräch mit Stefan K. und zahlreichen Helferinnen und Helfern vor Ort blieben weiterhin einige Dinge unklar. Unklar ist zum Beispiel, wieso mindestens eine Helferin von Stefan K. angewiesen wurde, Windeln und „originale“ Pampers getrennt in Kartons zu packen. Unklar ist für uns auch, wieso Stefan K. zwei Tage nach der Rückkehr aus Chelm im Lager war und laut eigener Aussagen 30 Kartons aus dem Lager genommen hat. Unklar ist für uns auch wo eine große Kiste voller Powerbanks verblieben ist. Diese befanden sich im Fahrzeug von Stefan K. und Marcel M. und sollten am Bahnhof in Polen verteilt werden. Laut Aussage von Stefan K. hatte er diese zwei Tage nach der Ankunft aus Chelm bei sich. Er wolle sie für das neue Spendenlager am Altmarkt nutzen.
Wir entschieden uns, die Aktion mit dem Verein bis auf Weiteres auf Eis zu legen. Eben bis es Klarheit geben würde. Zeitgleich starteten wir eine eigene Recherche. Wir fanden die Spedition, die die Kleidung nach Polen bringen sollte, heraus. Dabei die Überraschung: Entgegen der Aussage von Stefan K. handelte es sich nicht um eine Spedition aus dem Ahrtal, sondern um eine polnische Spedition. Diese wollte uns auf Nachfrage keine Informationen über den Zielort der Lieferung mitteilen.
In der Zwischenzeit informierten wir uns auch über den Verein. Dabei fanden wir heraus, dass der Verein gar nicht im Vereinsregister eingetragen ist. Somit darf der Verein rechtlich keine Spendenquittungen ausstellen. Es wurden lediglich zwei Quittungen auf einem Quittungsblock ausgestellt, eine falsche „Vereinsadresse“ von einem ausgetretenen Mitglied des „Vereins“ inklusive.
Dann das nächste Problem: Stefan K. hat aufgrund seiner laut eigenen Aussagen 10-jährigen Erfahrung mit Spendenaktionen und seiner Rolle als Koordinator des Bottroper Konvois das Geld ab der Fahrt verwahrt. Er sollte gemeinsam mit Marcel M. an erster Stelle fahren und die Tankladungen für alle Fahrzeuge mit den Spendengeldern bezahlen. Insgesamt wurden 10.432,87 Euro im Zuge der Aktion eingesammelt. 2.000 Euro flossen dabei auf ein Konto, das uns von Stefan K. schriftlich als Konto des Vereines genannt wurde. Das Konto gehört wohl zu einer GmbH, die von der Frau von Stefan K., Tanja K., als Geschäftsführerin geleitet wird. Auch diese GmbH darf rechtlich natürlich keine Spendenquittungen ausstellen.
Von den gesammelten 10.432,87 Euro wurden für den Transport laut Kassenbuch von Stefan K. 8.114,42 Euro ausgegeben. Wofür die Spendengelder genau genutzt wurden, kann man nur erahnen. Die aufgelisteten Kosten beinhalten Positionen wie „Tanken + Verpflegung aus Deutschland“. Die entsprechenden Quittungen der Ausgaben wurden nach mehrmaligem Nachfragen und trotz einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Stefan K. und uns leider bis heute nicht zur Verfügung gestellt. Auch was mit den übrigen Geldern passiert ist, wurde und wird uns leider bis heute nicht transparent mitgeteilt.
Ähnliche Erfahrungen hat auch Karolina Köster machen müssen. Sie sammelte im Sommer 2021 mit ihrem Frauen-Netzwerk „Sisterhood“ für den Verein, der damals oft ins Ahrtal fuhr. Laut eigenen Aussagen spendete sie gemeinsam mit vielen Bottroper Unternehmerinnen und Unternehmern insgesamt 4.500 Euro, die direkt auf das Konto der selbigen GmbH überwiesen wurden. Auch hier versprach Stefan K. Spendenquittungen für zehn Unternehmerinnen und Unternehmer. Karolina Köster und die weiteren Spenderinnen und Spender haben diese bis heute nicht erhalten.
Da wir den Anspruch der völligen Transparenz hatten, die leider seitens Marcel M. und Stefan K. nicht geliefert wurde, und wir, zumindest bis uns gegenteilige Beweise, die uns nicht geliefert werden, vorliegen, den Verdacht haben, etwas könnte nicht genau gelaufen worden sein, haben wir uns an die Polizei gewandt. Diese ist nun über den Sachverhalt informiert und wird hoffentlich weiter ermitteln. Wir halten euch auf dem Laufenden. Völlig transparent – weil uns das wichtig ist.