Bilanz des Klimastadt-Projektes InnovationCity Ruhr
Nach zehn Jahren „InnovationCity Ruhr | Modellstadt Bottrop“ legen die Stadt Bottrop und die Innovation City Management GmbH (ICM) heute die Bilanz des Klimastadt-Projektes vor. Das Ziel, die CO2-Emissionen in einem Pilotgebiet mit 70.000 Einwohner:innen um die Hälfte zu reduzieren, wurde erreicht. Das vom Initiativkreis Ruhr angestoßene Projekt beweist, dass sich Klimaschutzmaßnahmen volkswirtschaftlich auszahlen.
Laut Berechnungen der ICM konnte der CO2-Ausstoß von 2009 bis 2020 um rund 50 Prozent gesenkt werden. Für das Abschlussjahr 2020, für das konkrete Verbrauchsdaten der Energieversorger erst 2022 vorliegen, hat die ICM die hohe Modernisierungsquote in Bottrop in ihre Prognosen mit einbezogen. Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat für das Jahr 2020 mit bundesweiten Prognosewerten kalkuliert und kommt auf eine Minderung von 47 bis 49 Prozent und bestätigt damit, dass die angestrebte Halbierung erreicht worden ist. Die im Jahr 2009 erhobenen Daten bilden die Basis für die wissenschaftliche Evaluation des Projektzeitraums von 2010 bis 2020.
ICM-Geschäftsführer Burkhard Drescher: „Der CO2-Wert ist ein Indikator in der InnovationCity und wir haben die Halbierung der Treibhausgase geschafft. Noch entscheidender aber ist die Vielzahl der Ergebnisse, die den nachhaltigen Wandel von der Kohlestadt zur Klimastadt belegen.“
Das sind die wichtigsten Ergebnisse nach Berechnungen der ICM:
- Bottrop belegt unter allen Großstädten in NRW den Spitzenplatz bei der Photovoltaik-Dichte pro Einwohner.
- Die von Wohngebäuden ausgehenden CO2-Emissionen (CO2-Äquivalente CO2[äq]= THG Treibhausgase) sind im Bund von 2010 bis 2020 um 19% zurückgegangen. In der InnovationCity gingen die Emissionen sehr viel deutlicher zurück: um 47 %.
- Im Sektor Arbeit/Industrie ist der CO2-Ausstoß (THG) von 2009-2020 auf Bundesebene um 5,3 % gesunken, in der InnovationCity um 56 %.
- Der CO2-Ausstoß pro Kopf (THG, ohne den Sektor Verkehr) lag 2020 im Bottroper Modellgebiet bei 2,44 Tonnen pro Jahr (t/a), bundesweit bei 6,11t/a.
- 3.657 Wohngebäude wurden modernisiert – das sind rund 36% des gesamten Bestandes. Die jährliche energetische Modernisierungsrate liegt in der InnovationCity bei 3,3 %, d.h. im Durchschnitt sind pro Jahr 3,3 % der Wohngebäude teilweise oder komplett energetisch modernisiert worden.
- 2,7 Mio. Euro Modernisierungsförderung stießen Gesamtinvestitionen von mehr als 20 Mio. Euro an.
- 11.355 Menschen nahmen an 437 Veranstaltungen der ICM teil.
- 3.954 Energieberatungen wurden bis 31.12.2020 durchgeführt und damit mehr als 30 Prozent aller Einzeleigentümer erreicht.
- Die CO2-Emissionen (THG) der öffentlichen Gebäude in der InnovationCity sind von 2009 bis 2020 um 40 % zurückgegangen.
Burkhard Drescher, der das InnovationCity-Projekt seit 2011 leitet, vertritt die Auffassung, dass Klimaschutz nichts mit Verzicht zu tun hat. Die jetzt vorliegenden Ergebnisse unterstützen seine Position: „Unser Projekt belegt, dass Maßnahmen für den Klimaschutz nicht im Widerspruch zu unternehmerischem Erfolg und dem Erhalt von Arbeitsplätzen stehen. Mit Daten aus zehn Jahren können wir jetzt die Beweiseliefern, dass sich klimagerechter Stadtumbau positiv auf die gesamte Stadtgesellschaft auswirkt. Es gibt dabei keine Verlierer.“
Initiativkreis-Moderator Rolf Buch: „Klimaschutz zahlt sich volkswirtschaftlich aus“
Ideengeber für die InnovationCity Ruhr war der Initiativkreis Ruhr. Das Wirtschaftsbündnis schrieb den Städtewettbewerb „Blauer Himmel, grüne Stadt“ aus, in dem Bottrop unter 16 Bewerbern das Rennen machte, um Impulse in der Energieregion Ruhrgebiet zu setzen und ihre Innovationskraft unter Beweis zu stellen. Rolf Buch, Moderator des Initiativkreises Ruhr, wertet das Klimaprojekt als großen Erfolg. „In Bottrop, wo die Ära der Steinkohle mit der Schließung des letzten Bergwerks zu Ende gegangen ist, wird jetzt Klima-Zukunft gemacht. Die InnovationCity Ruhr ist zur Blaupause für die Städte des Ruhrgebiets und darüber hinaus geworden“, sagt Buch, der gleichzeitig Vorsitzender des Vorstands von Vonovia ist. „Gemeinsam haben wir bewiesen, dass sich Klimaschutz auch volkswirtschaftlich auszahlt, wenn Ökonomie und Ökologie sinnvoll miteinander verbunden werden.“ Das Projekt sei ein Vorbild für eine gelungene Kooperation von Partnern aus öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, also für Public-Private-Partnership. „In Bottrop haben Kommune, Landesregierung und Unternehmen hervorragend zusammengearbeitet“, sagt Buch. „Gleichzeitig steht Bottrop dafür, dass sich die Bevölkerung auch für groß angelegte Infrastrukturprojekte gewinnen lässt, wenn sie von der ersten Minute an aktiv und partnerschaftlich eingebunden wird.“
Oberbürgermeister Bernd Tischler: „Interesse an Klimathemen ist wesentlicher Erfolgsfaktor“
Das große Interesse der Bottroper:innen an den Klimathemen ist für Bernd Tischler, Oberbürgermeister der Stadt Bottrop, ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Projekt. „Was wir in denvergangenen zehn Jahren in über 300 Einzelprojekten geschaffthaben, ist eine enorme Leistung und nur mit der Power unzähliger Menschen zu meistern“, erklärt er. „Ich bin stolz darauf, dass wir mit den InnovationCity-Veranstaltungen fast 12.000 Bürgerinnen und Bürger erreichen konnten.“ Vielen internationalen Gästen stellte er das Projekt bereits vor, Delegationen aus aller Welt informierten sich in Bottrop über die Energiewende von unten. Nach zehn Jahren Projektlaufzeit behält Oberbürgermeister Tischler seine klare Vision für die Stadt: „Wir hören mit den Themen Energieeffizienz und Klimaschutz nicht auf, wir machen weiter und integrieren vor allem die Mobilitätswende. Wir entwickeln die InnovationCity Bottrop zur Klimastadt Bottrop. Man wird von uns noch viel hören!“
Wuppertal Institut-Geschäftsführer Manfred Fischedick: InnovationCity hat sich „äußerst anspruchsvolles Ziel“ gesetzt
Der wissenschaftliche Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, Prof. Dr. Manfred Fischedick, unterstreicht das „inhaltlich wie methodisch äußerst anspruchsvolle Ziel“, das sich die InnovationCity Bottrop 2009 mit der Halbierung der CO2-Emissionen in nur zehn Jahren gesetzt hat. Das Wuppertal Institut wurde wie bereits 2015 zur Zwischenbilanz mit der Validierung der Berechnungen der eingesparten CO2-Emissionen beauftragt. „Nach Auswertung aller vorliegenden Daten wissen wir, dass dieses Projekt erfolgreich war“, urteilt Manfred Fischedick. „Die Emissionen im Pilotgebiet InnovationCity sind im Zeitraum 2009 bis 2020 um 47 bis 49 Prozent gesunken, das ist gemessen am Bundesdurchschnitt ein außerordentlicher Erfolg und zeigt die Wirkung der Vielzahl an durchgeführten Maßnahmen.“
RUFIS-Vorstand Dieter Hecht: „Maßnahmen zum Klimaschutz generieren Beschäftigung
“Mit den Auswirkungen der InnovationCity auf den Arbeitsmarkt hat sich das Ruhr-Forschungsinstitut für Innovations-und Strukturpolitik (RUFIS) beschäftigt. Vor dem Hintergrund des nahenden Endes des Steinkohlebergbaus in Bottrop war das Projekt von Anfang an darauf ausgelegt, Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen. „Es sind insgesamt fast 732 Mio. Euro investiert worden. 420 Mio. Euro davon führten zu regionaler Produktion in Bottrop. Das Geld ging in 236 Einzelprojekte“, berichtet Prof. Dr. Dieter Hecht, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des RUFIS. „Wenn man die Beschäftigungseffekte für Bottrop zusammenfasst, die durch die Investitionen, Vorleistungen und die zusätzlichen Konsumgüterleistungen entstanden sind, kommt man auf eine Gesamtzahl von 3.211 Erwerbstätigenjahren*.“ Hecht führt weiter aus: „Bottrop zeigt, dass Maßnahmen zum Klimaschutz nicht nur die Treibhausgase reduzieren, sondern gleichzeitigauch Produktion und Beschäftigung generieren.“
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Klimaschutz wird vor Ort entschieden“ Svenja Schulze, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, begleitet die Entwicklungen der InnovationCity seit mehreren Jahren und nimmt per Livestream als Gastrednerin an der Abschlussveranstaltung am 15. Juni 2021 ab 14.30 Uhr teil. Sie beurteilt das Ende des Projekts wie folgt: „Klimaschutz ist nicht nur Weltpolitik, sondern wird vor Ort entschieden und gestaltet. Bottrop ist dabei Vorreiter und hat als InnovationCity den Sprung in die Zukunft vorgemacht. Dieser Mut wurde belohnt mit einer lebenswerteren Stadt.“
* Für einzelne Produktionsbereiche (bspw. Hochbau oder Tiefbau) liegen Daten zur jährlichen Produktion in Euro und zu den Beschäftigtenzahlen vor. Daraus können sogenannte „durchschnittliche Arbeitsproduktivitäten“ bestimmt werden. Wenn für einen Produktionsbereich im Jahr 2020 eine Produktion von 10 Mio. Euro ausgewiesen wird und in diesem Bereich 200 Erwerbstätige erfasst wurden, dann ergibt sich eine durchschnittliche jährliche Arbeitsproduktivität von 50.000 Euro pro Erwerbstätigem. Auf derartigen Zahlen beruht die Ermittlung der Erwerbstätigenjahre. Falls bspw. die Produktion durch zusätzliche Investitionen um 5 Mio. Euro erhöht wird, sind mit der Umsetzung 100 durchschnittliche Erwerbstätigenjahre verbunden.
Text und Bilder: ICM