Duisburg war um 1960 eine vitale Industriestadt mit hoher Lebensqualität. Sie zählte zu den deutschen Städten mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen. Ihre wirtschaftliche Basis bildete die Schwerindustrie, deren Anlagen sich entlang des Rheins reihten. Der Hafen bildete, an der Mündung von Ruhr und Rhein, die eigentliche Lebensader der Stadt. Er gab ihre Mitte und Halt.
Heute sind hier, wie vielfach im Ruhrgebiet, die Folgen des zu spät eingeleiteten industriellen Strukturwandels sichtbar. Die Infrastruktur ist marode, die Stadt ist hoch überschuldet und kann die Kosten ihrer tatsächlichen Aufgaben nicht mehr leisten.
Das Vergängliche schafft neue Spuren in der Stadtlandschaft. Schmutzige Fassaden, bröckelnder Putz, Schlaglöcher und zwischen Betonpflaster hervorquellendes Unkraut entwickeln neue Strukturen, die der Fotograf Laurenz Berges mit Geduld und Gründlichkeit auswählt und bei schattenlosem Licht fotografiert. „Er hält Dinge fest, kurz bevor sie untergehen“, sagt der Leiter des Museums Quadrat Dr. Heinz Liesbrock.
Das Terrain, das Laurenz Berges in den vergangenen Jahren in Duisburg geduldig erkundet hat, ist gekennzeichnet von einer tief reichenden Misere. Er hat sich vor allem in jenen Teilen der Stadt bewegt, die vormals Standorte der Schwerindustrie waren. Ein allgemeiner Niedergang urbaner Qualitäten ist offensichtlich. Es geht den 54-jährigen Fotografen nicht um das dokumentarische Erfassen einer nur noch mit Patina behafteten Industrie- und Arbeiterepoche. In den Bildern geht es nicht um eine konkrete Darstellung sozialer Fehlentwicklungen. Vielmehr weisen die Fotografien eine künstlerische Perspektive auf. Das Licht und die Stille sind Boten einer Melancholie, in der das Alte vergeht, ohne dass das Neue bereits erkennbar ist.
Das fotografische Festhalten des in stetigen Zyklen vergehenden Lebens ist das zentrale Thema Kunst von Laurenz Berges. In seinen Fotografien kündet die Szenerie von einer dem menschlichen Leben anhaftenden Vergänglichkeit und Schwermut, deren Schweigen allein gekontert wird durch jene Dimension bildlicher Schönheit, die sich im Licht und in den Farben verwirklicht. Duisburg steht dabei nur beispielhaft für viele Quartieren im Ruhrgebiet. „Man kann das alte Duisburg aber besonders gut fotografieren“, sagt Laurenz Berges, während eines Presserundgangs. In den von ihm besuchten Stadtteilen wie Bruckhausen, Beeck und Marxloh sei die Stadt am Charaktervollsten.
Die Ästhetisierung des Alten spiegelt sich auch in dem Titel der Ausstellung wider. „4100 Duisburg“ ist eine Reminiszenz auf die alte, vierstellige Postleitzahl. Trotz des regionalen Bezugs zum gesamten Ruhrgebiet, sieht der Künstler seine Arbeiten nicht als regionale Ausstellung. Der Fokus des Künstlers liegt auf dem Werden und Vergehen. Duisburgs marode Stadtquartiere dienen dabei als gegenwärtiges Abbild der Zeitenläufe.
Die Ausstellung „Laurenz Berges. 4100 Duisburg. Das letzte Jahrhundert“ ist vom 9. Februar bis zum 3. Mai zu sehen. Das Josef Albers Museum Quadrat ist dienstags bis samstags von 11 bis 17 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 10 bis 17 Uhr geöffnet.
Bild- und Textquelle: Stadt Bottrop